Flexible Nachrüstung von Sensorsystemen zur Überwachung von stark belasteten Maschinen und Strukturbauwerken
Ziel des Projektes ist es, eine technische Lösung zu entwickeln, um stark belastete Maschinen oder Strukturbauwerke nachträglich mit stressempfindlichen Sensoren auszurüsten („Retrofit“).
Dieses Projekt soll die Möglichkeiten der Strukturüberwachung („Condition-Monitoring“) deutlich erweitern. Ein weiterer Einsatzbereich liegt in der zusätzlichen Ausstattung von Maschinen oder Geräten mit Sensoren während der Produktentwicklung zur Verbesserung der Produktqualität und zur Verlängerung der Lebensdauer. Die Befestigung der Sensormodule erfordert eine gute und dauerhafte mechanische Ankopplung zur Maschine. Hierfür soll das Fügen mit reaktiven Multischichtsystemen (RMS) eingesetzt und optimiert werden, welches metallische Lötverbindungen ohne externe Wärmezufuhr und ohne das gesamte Werkstück erwärmen zu müssen, ermöglicht.
Grundsätzlich kann das RMS-Fügen für beliebige Komponenten eingesetzt werden. Es sollen die wesentlichen allgemeinen Möglichkeiten des RMS-Fügen erarbeitet, aber insbesondere das Fügen von Sensorelementen vorangetrieben werden. Auf der einen Seite bietet sich im geplanten Forschungsvorhaben der im Portfolio von Hahn-Schickard befindliche CMOS-integrierte Chip zur Erfassung von Verformungen an, der auf einer Fläche von ca. 2,5 x 2,5 mm² 32 verteilte piezoresistive Messbrücken enthält. Auf der anderen Seite können auch metallische Sensorstreifen mit dem RMS-Fügen platziert werden. Die Signale der Messbrücken sollen durch eine künstliche Intelligenz (KI) ausgewertet werden, so dass beispielsweise eine Unterscheidung zwischen einem verschlissenen und einem funktionierenden Getriebebauteil ermöglicht wird. Da durch dieses Verfahren auf eine komplizierte Kalibrierung im Labor verzichtet werden kann, rückt eine Retrofit-Lösung in greifbare Nähe.
Stand der Forschung und Entwicklung
Das RMS-Fügen wird bisher ausschließlich unter Laborbedingungen mit stationären Prozessgeräten durchgeführt, nicht jedoch im mobilen Einsatz. Das Fraunhofer IWS und Hahn-Schickard verfügen über langjährige Erfahrung in der Direktbeschichtung auf Basis von Ni/Al und Zr/Si, sowie in der Durchführung von reaktiven Fügeprozessen im Labor.
Bislang muss jeder Sensorchip nach der Applizierung auf das Strukturbauteil im Labor kalibriert werden, da durch den Fügeprozess unerwünschte, nicht reproduzierbare Lasten auf den Sensorchip wirken. Im laufenden IGF-Vorhaben 3D-ForceSens wird das „Half Blind Calibration“ genannte Kalibrierverfahren auf den CMOS-integrierten Sensorchip angewandt. Dies erlaubt eine hochgenaue Kalibrierung auf Kräfte und Momente und eine Kompensation von Störeinflüssen. Für die geplante Retrofit-Lösung sollen KI-Algorithmen eingesetzt werden, um Zustände zu klassifizieren. Die Forschung hat in den letzten Jahren eine Vielzahl an KI-Modellen hervorgebracht, die auf ihre Eignung im Zusammenspiel mit dem Sensorchip untersucht werden sollen.
Herausforderungen
RMS-Fügen:
- Die Oberflächen der Werkstücke, an denen gefügt werden soll, sind je nach Anwendung schwer zugänglich (z.B. in einem Gehäuse verbaut, in großer Höhe, unter Wasser oder an beweglichen Teilen, wie an Windrädern, in der Luft- und Raumfahrt, an Werkzeugen, usw.).
- Die Werkstückoberflächen sind möglicherweise nichtmetallisch, oxidiert oder verschmutzt und dadurch schwer mit Lot benetzbar.
- Es herrschen möglicherweise raue bzw. schwankende Umgebungsbedingungen (Staub, Feuchtigkeit, Temperatur, Vibration).
- Es besteht ein Bedarf zur Bereitstellung einer mobilen Oberflächenvorbehandlung (Reinigung, Metallisierung), Medienversorgung (Strom, Chemikalien), Bauteilpositionierung und -anpressung, Zündung und Prozessüberwachung.
Kalibrierung / Klassifizierung mittels KI:
- Für die Klassifizierung der Zustände besteht die Herausforderung darin, aus der Vielzahl von existierenden KI-Modellen die für die gegebene Aufgabenstellung geeigneten Modelle auszuwählen. Eventuell ist es auch notwendig, zunächst klassische statistische Kalibrierverfahren durchzuführen.
- Für das Training ist es erforderlich, die Zustände der zu überwachenden Strukturen definiert zu provozieren.
- Durch eine Modellkomprimierung wird angestrebt, das KI-Modell direkt vor Ort in einem Edge-Computer auszuführen, um eine lange Autonomiezeit zu gewährleisten.
Lösungsweg, Arbeitspakete
RMS-Fügen:
- Spezifizierung der Anforderungen im Projekt
- Entwicklung von Verfahren zur Vorbehandlung der Werkstückoberflächen, z. B. Anschleifen, lokale Galvanik, Plasma, Ultraschall
- Entwicklung / Bereitstellung von RMS-Folien oder direkte Beschichtung der zu fügenden Bauteile und der Werkstücke
- Entwicklung von Werkzeugen / Geräten zur Durchführung reaktiver Fügeprozesse im Feld: Positionierung, Anpressen, Zünden, Überwachung
- Durchführung von Fügeprozessen mit Testsubstraten und ausgewählten Funktionsmustern, z. B. Montage von dehnungsempfindlichen Sensoren
- Test und Verifizierung der Anforderungen
Kalibrierung / Klassifizierung mittels KI:
- Analyse von statistischen Kalibrierverfahren und existierenden KI-Modellen und Beurteilung der Eignung für die vorliegenden Use-Cases
- Entwicklung von statistischen Kalibrierverfahren und Training der KI-Modelle auf verschiedene Zustände der zu überwachenden Strukturen
- Komprimierung der Modelle zur Ausführung auf einem Edge-Computer
- Bestimmung der Klassifizierungsgenauigkeit und iterative Optimierung des Modells
Geplantes Förderprogramm
Technologietransfer-Programm Leichtbau (TTP LB), eine Initiative des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz:
- Projektdauer: Max. 3 Jahre
- Keine Beschränkungen bzgl. Gesamtförderquoten für Verbünde, Vorgaben zur Zusammensetzung der Konsortien usw.
- Je Kalenderjahr sind zwei Stichtage zur Einreichung vorgesehen: 1. April und 1. Oktober
Weitere Informationen können beim Förderträger, dem Projektträger Jülich abgerufen werden:
https://www.ptj.de/projektfoerderung/ttp-leichtbau
Kontakt
Dr.-Ing. Thorsten Hehn Dr. Stephan Knappmann
Tel.: +49 761 887865-722 Tel.: +49 7721 943-224
Thorsten.Hehn(at)Hahn-Schickard.de Stephan.Knappmann(at)Hahn-Schickard.de
Dipl.-Ing. Erik Pflug Dipl.-Ing. (FH) Martin Kram
Tel.: +49 351 83391-3524 Tel.: +49 9721 91-2864
Erik.Pflug(at)iws.fraunhofer.de Martin.Kram(at)Schaeffler.com
- Projektname
- RetroSens
- Fördergeber
-
BMBF
- Projektträger
-
Projektträger Jülich
- Laufzeit
- 01.06.2024 bis 30.06.2027
- Kooperationspartner
- Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik IWS, Schaeffler Technologies AG & Co. KG