Warum ist die Arbeit des Zukunftsclusters nanodiag BW wichtig?

Welche Ziele verfolgen wir? Welchen Nutzen eröffnen unsere Ergebnisse?

Die Hightech-Strategie des BMBF benennt die Gesundheit als eine der großen globalen gesellschaftlichen Herausforderungen. Bahnbrechende Erkenntnisse der Spitzenforschung zeigen, dass an häufigen und oft tödlichen Krankheiten, darunter Krebserkrankungen, Diabetes, Herz-Kreislauf-, psychische, neurodegenerative- aber auch Infektionskrankheiten, ursächlich epigenetische Faktoren beteiligt sind. Hierzu zählen die sogenannten posttranslationalen Modifikationen (PTM) von Proteinen. Diese können bislang nur mit sehr aufwendiger Massenspektrometrie oder mit fehleranfälligen Immunoassays nachgewiesen werden. Jüngste Forschungsergebnisse zeigen, dass mit miniaturisierten Analysesystemen auf Basis von Nanoporentechnologie diese Modifikationen künftig deutlich einfacher, schneller und zuverlässiger bestimmt werden können - mit dem Alleinstellungsmerkmal, dass sogar massegleiche Isomere differenziert werden können. Der Zukunftscluster nanodiag BW verfolgt die Vision, solche miniaturisierten Analysegeräte und -Verfahren zu realisieren und in disruptive Diagnostik-Produkte, in innovative Dienstleistungen und Ausgründungen mit hohem Wachstumspotenzial zu überführen. Dadurch können epigenetische Marker der Routinediagnostik zugänglich gemacht und die Vorsorge, Therapie und Nachsorge häufiger und schwerer Erkrankungen signifikant verbessert werden.

Dies lässt schon in den kommenden Jahren einen signifikanten Beitrag zu einer besseren Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger erwarten.

Beispiel 1: Vorsorge. Epigenetische Mechanismen sind hochdynamisch und abhängig von Faktoren wie Lebensalter, Lebensbedingungen und Lebensart - also vom individuellen "lifestyle" jedes Einzelnen. Der Vorteil der Detektion epigenetischer Marker gegenüber anderen Teststrategien besteht darin, dass sich individuelle Prädispositionen der Patienten frühzeitig bestimmen lassen. In Analogie zu heute bereits etablierten Screenings wäre es künftig vorstellbar, über epigenetische Faktoren das persönliche, lifestyle-bezogene Risiko für Krankheiten wie Krebs aber auch Alzheimer, rheumatische Erkrankungen, Diabetes oder Herzkreislauferkrankungen zu bestimmen und entsprechende Verhaltensempfehlungen abzuleiten.

nanodiag BW will die Voraussetzungen schaffen, die dies ermöglichen.

Beispiel 2: Therapieplanung. Einige Krebstherapien, die starke Nebenwirkungen hervorrufen können, schlagen bei bestimmten Patientengruppen aufgrund epigenetischer Veränderungen zellulärer Signalwege nicht an. Es wäre sehr vorteilhaft, diese Patienten vor Beginn der Therapie eindeutig zu identifizieren, um sie nicht unnötigen Risiken und Belastungen auszusetzen. Mit innovativen Analysewerkzeugen auf Basis der Nanoporentechnologie wäre die entsprechende Stratifizierung (Eingruppierung) der Patienteninnen anhand epigenetischer Marker schnell und zuverlässig möglich.

nanodiag BW will Technologien entwickeln, die dies ermöglichen.

Beispiel 3: Therapiebegleitung. Epigenetische Faktoren reagieren schnell auf Therapien; dies kann im negativen Fall in kürzester Zeit zu Resistenzbildungen führen. Daher ist es wichtig, diese hochdynamischen Marker sicher zu erkennen und therapiebegleitend zu bestimmen.

nanodiag BW will Geräte entwickeln, die dies ermöglichen.

Beispiel 4: Nachsorge. Rezidive bzw. Metastasierungen können auch viele Jahre nach erfolgreich abgeschlossener Krebs-Therapie auftreten. Konventionelle Methoden erkennen diese Metastasen oft zu spät; Nanoporentechnologie könnte charakteristische epigenetische Veränderungen an Proteinen oder Nukleinsäuren in von Tumorzellen ins Blut freigesetzten Vesikeln im Rahmen eines wenig invasiven und daher höherfrequenten Monitoring erfassen, sodass rechtzeitig lebensrettende Maßnahmen eingeleitet werden können.

nanodiag BW will Verfahren entwickeln, die dies ermöglichen.

Die Nanoporenanalytik in Kombination mit neuen Anreicherungsverfahren ist wegen ihrer hohen Empfindlichkeit insbesondere auch mit nicht- oder minimalinvasiver Probeentnahme (Flüssigbiopsie) kompatibel, sodass dafür keine Gewebeprobe entnommen werden muss.

Das Marktpotenzial für die Anwendung von nanoporenbasierten Technologien und Lösungen ergibt sich aus der Nachfrage nach entsprechenden Geräten für Zentrallabore, Kliniken, Arztpraxen und möglicherweise den Home-Care-Bereich, nach Zwischenprodukten und Verbrauchsmaterialien wie z.B. „Teststreifen“ sowie den zugehörigen Dienstleistungen und Verfahren. Das globale Marktvolumen allein für die Krebsdiagnostik z.B. wurde 2020 mit ca. 170 Milliarden USD angegeben und wird bis 2028 auf 280 Milliarden USD steigen. Bei gleichbleibender Wachstumsrate (ca. 6% p.a.)  wird gegen Ende der maximalen Clusterlaufzeit ein Volumen von 340 Milliarden USD erreicht sein. Die Erfahrung mit anderen disruptiven Technologieentwicklungen, wie zum Beispiel der automatisierten Hochdurchsatz-Elektrophysiologie durch den Projektpartner Nanion zeigt, dass die Nachfrage nach neuen Lösungen dadurch erst entsteht, dass sie technisch realisiert und angeboten werden. Insofern wird die Nanoporenanalytik im Bereich der medizinischen Diagnostik sich ihren Markt zu einem Großteil selbst neu schaffen. Sie wird kostenintensive etablierte Diagnostik und unnötige bzw. schädliche teure Therapieversuche vermeiden helfen und dadurch insgesamt zur Effizienzsteigerung im Gesundheitswesen beitragen.